Wenn die Eltern Hilfe brauchen
Natalie aus Polen beispielsweise macht im Haushalt von Susanne Schubert momentan das, wofür sich offenbar keine bezahlbare Deutsche findet: Sie ist rund um die Uhr für die 80-Jährige da. Die 21-Jährige bereitet das Frühstück zu, kocht mittags und abends das Essen. Sie geht einkaufen, putzt die Wohnung und bringt Frau Schubert abends ins Bett. Nachts hilft sie ihr auf die Toilette. Die gelernte Pflegekraft passt aber auch auf, dass Frau Schubert nicht stürzt und dass sie als Folge ihrer leichten Demenz keine "Dummheiten" macht.
Ein derartiger 24-Stunden-Service kostet bei einem Pflegedienst schnell mehrere Tausend Euro. Die junge Polin erhält dagegen nur 1.600 Euro brutto, inklusive der Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung. Lediglich Unterkunft und Verpflegung kommen hinzu. Ausgebildete deutsche Pflegekräfte wollen meist zu diesen Bedingungen nicht arbeiten. Auch die Unterbringung des Pflegebedürftigen in einem Heim ist deutlich teurer. Die Bandbreite liegt etwa zwischen 2.500 und 4.000 Euro - abhängig vom jeweiligen Träger der Einrichtung und der Pflegestufe, in die der Pflegebedürftige eingruppiert ist.
Da von der gesetzlichen Pflegeversicherung stets nur ein Teil der Pflegekosten getragen wird und der Rest über die Rente und das Vermögen des zu Pflegenden erbracht werden muss, sind die persönlichen Ressourcen oft schnell verbraucht. Danach müssen die Kinder für ihre Eltern aufkommen. Susanne Besold von den Ergo Direkt Versicherungen: "Hier ermöglicht eine rechtzeitig abgeschlossene private Pflegezusatzversicherung so manches. Das Geld kann beispielsweise für Hilfsmittel oder als Aufwandsentschädigung für betreuende Angehörige verwendet werden." Oder auch für Natalie, die in Deutschland mit netto knapp 1.000 Euro ungefähr drei Mal so viel verdient wie für eine ähnliche Arbeit in Polen. Die junge Frau ist im Übrigen bei der Bundesagentur für Arbeit angemeldet, und Frau Schubert ist ganz offiziell ihre Arbeitgeberin.
Natalie ist damit bis dato aber eher die legale Ausnahme in Anbetracht von rund 100.000 Osteuropäerinnen, die derzeit noch illegal als Pflegekraft in deutschen Haushalten arbeiten. Der Grund: Momentan dürfen diese qualifizierten Kräfte keinen direkten Arbeitsvertrag mit dem Pflegebedürftigen oder dessen Angehörigen schließen. Legale Möglichkeiten bieten nur die Zentrale Auslands- und Fachvermittlung (ZAV) der Bundesagentur für Arbeit oder Agenturen, die mit Pflegefirmen in Osteuropa zusammenarbeiten. Genau dieses Prozedere ist vielen Familien zu umständlich - sie wählen stattdessen den direkten, aber bislang illegalen Weg und engagieren eine Osteuropäerin ohne Einschaltung der Behörden.
Ab 1. Mai soll sich das alles durch die Einführung der neuen Arbeitnehmerfreizügigkeit ändern. Pflegekräfte aus den neuen EU-Ländern können dann direkte Arbeitsverträge mit den Pflegebedürftigen oder ihren Familien abschließen. Eine gesonderte Arbeitsgenehmigung entfällt. Die Lohnsteuer und alle Sozialbeiträge müssen vom "Arbeitgeber" gezahlt werden. Das heißt: Die Pflegekräfte sind dann an ihrem Arbeitsplatz auch kranken-, renten- und unfallversichert.
Das neue Gesetz gilt für Staatsangehörige aus Estland, Lettland, Litauen, Polen, Ungarn, der Tschechischen Republik, der Slowakischen Republik und Slowenien. Für Rumänien und Bulgarien gilt die Regelung erst ab 2014. Neuer Ansprechpartner in Zulassungsfragen ist die Zentrale Auslands- und Fachvermittlung (ZAV) in Bonn. Auf der Seite der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung der Arbeitsagenturen unter www.zav.de findet man Näheres hierzu sowie Organisationen, die ausländische Pflegekräfte vermitteln.
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